Wege aus dem Lockdown

Zurück zu gesunden Verhältnissen in fünf Schritten.

Der Corona-Lockdown
verursacht schwere Schäden in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.
Jetzt muss der Staat die Unternehmen entlasten, die Bürger befreien.

Corona ist immer weniger Krankheit und immer mehr Krise. Die weitgehenden Einschränkungen der persönlichen und wirtschaftlichen Freiheiten durch harte Zwangsmassnahmen führen zu riesigen Schäden durch den Fast-Stillstand in Wirtschaft, Kultur, Sport, Politik und selbst im Gesundheitswesen. Angebot und Nachfrage von Gütern und Dienstleistungen schrumpfen massiv, genauso wie die Leistungen der öffentlichen Hand, etwa bei
Bildung und Verkehr. Somit brechen gleichzeitig Konsum, Investitionen, Exporte, Importe und Staatsleistungen ein.
Zugleich zeigen wissenschaftliche Untersuchungen für die Schweiz (ETH) und Deutschland (Robert-Koch-Institut), dass nicht erst die harten Zwangsmassnahmen die Infektion wirksam eingrenzten, sondern bereits die zuvor erlassenen und von den Bürgern gutbefolgten Verhaltensempfehlungen: Hände waschen, physisch Distanz halten, unnötige Mobilität einschränken. Kurz, die harten Zwangsmassnahmen mit Ausnahme der Einschränkung von Grossveranstaltungen waren wohl unnötig.
Sie bremsten die Infektion weit unter das Niveau, bei dem eine Überlastung des Gesundheitssystems gedroht hätte. Dadurch aber verhinderten sie die Entstehung einer gewissen Immunität der Bevölkerung.
Für die Zukunft bringt die Corona-Krise grundlegende Ungewissheit. Wird die Welt nach Corona eine völlig andere sein? Führen die harten Zwangsmassnahmen statt zu einem Ende mit Durchseuchung zu einer Durchseuchung ohne Ende? Inwiefern kann man den Regierungen noch vertrauen? Wie lange werden die Grenzschliessungen dauern? Kommt jetzt die Deglobalisierung, oder lagern die Firmen die neuen Home-Offices bald in Billiglohnländer aus? Lassen die explodierenden Staatsausgaben den Euro oder gar die EU zusammenbrechen? Lauter dringende Fragen für Bürger, Unternehmen und Gesellschaft.
Die Antwort der meisten Regierungen ist: Hilfe für möglichst alle Bürger und Firmen und Stützung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage mit Ausgabenprogrammen und Geldspritzen der Nationalbanken.
Doch diese Politik droht zu scheitern.

Die Zwangsmassnahmen verursachen trotz Lockerung weiter anwachsende gesellschaftliche Schäden. Die anvisierte Hilfe für alle ist enorm teuer und belastet so auch alle schwer. Nachfragepolitik zielt angesichts von Angebotsbeschränkungen und grundlegender Ungewissheit ins Leere. Verpuffte Staatsausgaben heute bedeuten hohe Staatsschulden und damit Steuerlast für morgen. Es drohen Staatsschulden- und Staatskrisen.
Kurz: Bei Corona versagt traditionelle Stabilisierungspolitik. Was also tun?
Ziel muss eine schnelle Rückkehr zu guten und gesunden wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und medizinischen Verhältnissen sein. Angesichts der grundlegenden Ungewissheit kann das keine staatliche Planung leisten: Zu
komplex und dynamisch sind die Zusammenhänge, zu schlecht die Information und die Anreize der staatlichen Planer. Vielmehr bedarf es grösstmöglicher Flexibilität, Eigenverantwortung und freiheitlicher Orientierungssuche – natürlich bei angemessener sozialer Absicherung. Es gilt, die bestehenden privaten und staatlichen Ressourcen umfassend zu mobilisieren, Denkblockaden zu durchbrechen sowie die Anreize der wirtschaftlichen und politischen Entscheidungsträger für gute Politik zu stärken. Dafür vertreten wir eine fünfstufige Strategie und mehrere konkrete Vorschläge.

1. Objektivere Information
Mit dem nun anlaufenden Abbau der Zwangsmassnahmen ist Corona nicht vorbei. Es drohen weitere Wellen und weiterhin ernsthafte Gefahren für die Risikogruppen. Deshalb müssen wir alle Probleme rund um Corona endlich objektiver betrachten. Es ist die Aufgabe der Regierung, endlich brauchbare Statistiken zu veröffentlichen und klar auf die verbleibenden Unsicherheiten hinzuweisen. Die heutigen Statistiken ignorieren immer noch die entscheidende Rolle der Dunkelziffer der Infizierten sowie die Frage der Kausalität: Es ist entscheidend, zu wissen, wie viele Menschen an und nicht mit Corona sterben und leiden. Der Umgang mit den Risikofaktoren, insbesondere Alter und Vorbelastungen, ist fahrlässig.

Die Regierung muss endlich abschätzen, wie viel Lebenszeit durch Corona verlorengeht.

Ältere Menschen leiden unter mehr Vorerkrankungen als jüngere. Für eine realistische Risikobeurteilung müssen die Bürger wissen, was die Gefahren für Alte ohne schwere Vorbelastungen sind und welche Gefahren die verschiedenen Vorbelastungen bringen.
Und die Regierung muss aufhören, auf die rohen Todeszahlen zu starren, und endlich abschätzen, wie viel oder wie wenig Lebenszeit durch Corona verlorengeht. Der Wechsel der Perspektive auf gerettete Lebenszeit ist höchst relevant. Obduktionen von mit Corona gestorbenen Patienten zeigen, dass diese ohne Corona später gestorben wären, zumeist im Bereich von einigen Tagen bis zu einem Jahr. Insofern kann der Lockdown als Medikament betrachtet werden, das einigen zumeist Schwerkranken eine etwas längere Lebenszeit bringt. Der Preis dieses Medikaments sind die Kosten des Lockdowns. Richtig gerechnet, dürfte es ein mehrfacher ein- oder sogar zweistelliger Millionenbetrag pro Lebensjahr sein. Im Vergleich dazu verwendet der Bund bei der Vermeidung von Unfall- und Gesundheitsrisiken in anderen Bereichen einen Wert von rund 220000 Franken pro Lebensjahr. Hier muss die Regierung erklären, warum sie Lebensjahre so ungleich bewertet. Der gesundheitliche Teil der Corona-Krise scheint auch durch das Zusammenwirken von schockierenden Bildern aus China und Italien und der sehr schnellen Verbreitung des Virus bedingt zu sein. Befürchtet wurden TriageSituationen in Kliniken. Die Regierungsstrategie wollte diese minimieren. Eine TriageMinimierung bringt aber keine Maximierung geretteten Lebens und erst recht nicht geretteter Lebenszeit. Hier ist es notwendig, Informationen über die tatsächlichen Zielsetzungen der Regierung bekanntzumachen. Zudem muss aufgearbeitet werden, wodurch die über und innerhalb von Ländern höchst unterschiedliche Belastung des Gesundheitswesens entstanden ist. So ist weiterhin unklar, inwiefern die Belastungen durch das Virus oder durch organisatorische Eigenheiten der Gesundheitssysteme bedingt waren.
Natürlich waren diese Informationen zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Lockdown nicht alle verfügbar, hätten es aber vielleicht sein können. Und natürlich passieren in Krisen immer Fehler. Zur neutralen und glaubwürdigen Aufarbeitung von Leistungen und Fehlleistungen könnte das Parlament eine unabhängige Wahrheitsfindung initiieren, die den Aufarbeitungsprozess begleitet.

2. Corona-Immunität als Ressource nutzen
Mit der Ausbreitung der Krankheit wächst eine entscheidende Ressource zur Bewältigung der Krise: die genesenen Infizierten, die CoronaImmunen. Immunität ist in vielen Branchen wichtig, insbesondere in der organisierten und familiären Pflege, bei intensiven Auslandbeziehungen und in allen Berufen mit engem Kundenkontakt. Diese Ressource kann ohne Verzögerung sofort befreit werden. Dafür muss sie gesucht und gefunden werden. Um ihre Leistungskraft für sich selbst und die Gesellschaft voll zu nutzen, müssen Immune sich wieder völlig frei bewegen können. Sie müssen selbst wissen, dass sie immun sind, und es anderen glaubwürdig mitteilen können. Deshalb brauchen sie ein verlässliches Immunitätszertifikat über nachgewiesene Antikörper oder über die Genesung nach überstandener Krankheit. Der Einwand, dass die Immunität nicht hundertprozentig sicher und nicht ewig sei, ist hinfällig. Unsicher ist im Zusammenhang mit Corona fast alles. Es geht darum, mit dieser Unsicherheit klug umzugehen und sie zu reduzieren. Genau dazu dient eine Zertifizierung. Die Zertifizierung kann sowohl durch private als auch durch staatliche konkurrierende Zertifikatsanbieter erfolgen. Auch den Noch-nicht-Immunen muss schnell wieder volle Freiheit gegeben werden. Sonst droht wilde Selbstinfizierung. Um eine solche zu verhindern, brauchen die Bürger Möglichkeiten, sich unter sicheren Bedingungen und medizinisch begleitet immunisieren zu lassen.

3. Hilfe durch Steueranreize statt durch Staatsalmosen
Zur Rettung der durch die Zwangsmassnahmen stark betroffenen Firmen soll weniger auf staatliche Ausgabenprogramme als auf Steuersenkungen gesetzt werden. Während Erstere zumeist die Leistungsanreize unterwandern, bringen Letztere den Geschädigten neben Entlastung auch bessere Leistungsanreize. Konkret sollte Firmen und Bürgern, die aufgrund der Corona-Krise Einkommensverluste erleiden, auf ihrer Gewinn- und Einkommenssteuer ein über die normale Steueranpassung hinausgehender zusätzlicher Verlustabzug gewährt werden, der auch auf Folgejahre übertragen werden kann. So werden aus Einkommensverlusten zukünftige Steuersenkungen und damit Leistungsanreize, positive Zukunftsaussichten und Sicherheit. Ein Vorschlag mit zugleich kurzfristiger allgemeiner Entlastungswirkung und langfristigen positiven Anreizwirkungen ist folgender:
Bund und Kantone geben einen Steuerbonus, indem sie die Steuern für alle Bürger um einen festen Betrag senken. Jene, die sonst keine Steuern zu bezahlen hätten, erhalten vom Staat direkt Geld. Gleichzeitig wird zuerst in einer Notverordnung und dann später bei der Überführung der Massnahme ins normale Recht festgehalten, dass Steuererhöhungen in Zukunft nur möglich sind, wenn dieser Steuerbonus zuerst abgebaut wird. Diese Massnahme brächte eine höchst effektive, demokratische Steuerbremse. Zugleich würde sie der Schweiz sicher internationale Aufmerksamkeit bringen und ihren Ruf als besonders attraktiver, bürgerfreundlicher Lebensort stärken und so ihre Standortattraktivität nachhaltig verbessern.

4. Mobilisierung zusätzlicher Ressourcen
Angesichts der starken Belastung der Wirtschaft sowie der Ungewissheit über die Zukunft gilt es, zusätzliche Ressourcen zu mobilisieren. Dazu braucht es eine Politik, die den Menschen mit all seinen Facetten in den Mittelpunkt stellt. Die Chancen dafür sind jetzt besonders gut. Bei Corona haben sich die Regierungen zu stark und zu eng auf einzelne Aspekte fokussiert, insbesondere die rohe Zahl der Toten «im Zusammenhang mit Corona» und «die Überforderung des Gesundheitswesens». Sie vernachlässigten die Konsequenzen für andere Gesundheitsbereiche, für Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt. Tatsächlich aber könnte man die Regierungen zu entschuldigen versuchen: Ihr Verhalten hinsichtlich Corona ist keine Ausnahme, sondern ein besonders auffälliger Fall unter vielen. Der Fall Corona kann deshalb sehr lehrreich und heilsam sein.

Um ihre Leistungskraft voll zu nutzen, müssen Immune sich wieder frei bewegen können.

Um die für die Bewältigung der Krise notwendigen Ressourcen zu mobilisieren und Zukunftsvertrauen zu schaffen, müssen wir die grossen Probleme und längst fälligen Reformen angehen, die bisher vernachlässigt und verschleppt wurden oder gescheitert sind – eben weil die Politik, ähnlich wie bei Corona, versagt hat und nicht alle Konsequenzen für Wirtschaft und Gesellschaft berücksichtigt hat. Zu diesen Reformen gehört vieles von dem, was Ökonomen oft fordern, etwa weniger und vor allem vernünftiger zu regulieren, damit die positiven Marktkräfte befreit werden. Noch wichtiger aber ist, die grössten Probleme der Schweiz schnell und konkret anzugehen. Die jetzt keimende grundlegende Verunsicherung über die Zukunft kann dabei hilfreich sein, denn sie wirkt wie ein Schleier der Ungewissheit, hinter dem Eigen- und Partikularinteressen an Einfluss verlieren und am allgemeinen Bürgerwohl orientierte Ansätze viel bessere Chancen haben. Dieses besondere Zeitfenster muss genutzt werden. Dazu drei konkrete Vorschläge:

Verkehrspolitik
Heute wird der Verkehr nach amtlichen Schätzungen mit rund 15 bis 18 Milliarden Franken jährlich subventioniert. Gerade infolge Corona wurde der Unsinn der subventionierten Überaufblähung des Verkehrs sichtbar. Tatsächlich gibt es keinen Grund, den Verkehr zu subventionieren. Vielmehr sollte strikte Kostenwahrheit gelten, genauso wie in all den anderen «lebenswichtigen» Sektoren wie Wasser-, Lebensmittel-, Strom-, Telefon-, Internet- oder Gasversorgung. Der Privatverkehr und möglichst jeder einzelne Fahrzeugführer muss die von ihm mitverursachten externen Kosten durch Umweltschäden, Lärm und Unfälle übernehmen, die sich insgesamt auf eine Höhe von 7 Milliarden Franken jährlich belaufen. Dann gibt es keinen Grund mehr dafür, den öffentlichen Verkehr mit rund 8 Milliarden Franken jährlich zu subventionieren. Durch Kostenwahrheit wird nicht nur das Verhalten jedes einzelnen Verkehrsteilnehmers verantwortungsvoll, sondern auch die öffentliche Verkehrsdebatte. Die Benutzer von Auto, Bahn, Tram, Bus und Velo würden ihre oft überzogenen Ansprüche an den Ausbau «ihrer» Verkehrswege schnell überdenken. Dadurch würde der Verkehr effizienter und die Lasten für Umwelt, Mensch und Volkswirtschaft kleiner. Die durch diese Reform freigesetzten Ressourcen im Umfang von über 15 Milliarden jährlich würden einen zentralen Beitrag zur Bewältigung der Krise und Sicherung unserer Zukunft leisten. Klimapolitik. Die internationale Klimapolitik war schon vor Corona sehr teuer und unwirksam. Nach Corona ist sie erst recht Makulatur, weil in noch mehr Ländern schlichtweg die Ressourcen für eine solch ineffektive Politik fehlen. Tatsächlich wies die Klimapolitik zahlreiche Gemeinsamkeiten mit der Anti-Corona-Politik auf. Die Regierungen haben viele gesellschaftliche Kosten ihrer Politik vernachlässigt. Effiziente und damit ressourcenmobilisierende Klimapolitik heisst: Kostenwahrheit. Dafür braucht es eine CO2-Abgabe, die die geschätzten zukünftigen Schäden den heutigen Verursachern anlastet. Das gibt den Konsumenten und Produzenten die richtigen Anreize, Emissionen zu mindern und klimafreundliche Technologien zu entwickeln. Eine optimale CO2-Abgabe sollte alle Emissionen erfassen, heute – gemäss Nobelpreisträger William Nordhaus und einer Gruppe von über 3500 amerikanischen Ökonomen mit 27 Nobelpreisträgern sowie dem Internationalen Währungsfonds – rund 40 Franken pro Tonne CO2 betragen und schrittweise moderat steigen. Für die Schweiz bedeutet eine CO2-Abgabe von 40 Franken rund 1,5 Milliarden Franken jährlich und damit knapp ein halbes Mehrwertsteuerprozent, was für Bürger und Wirtschaft leicht tragbar ist. Das gilt erst recht, wenn das Prinzip der Kostenwahrheit vollständig umgesetzt wird: Weil sie allen Akteuren die richtigen Anreize gibt, werden die meisten heutigen Regulierungen des Energieverbrauchs hinfällig, was enorme zusätzliche Ressourcen freisetzt. Zudem können die Einnahmen aus der CO2-Abgabe für die Senkung anderer Steuern eingesetzt werden. Altersvorsorge. Mit Corona wird unsere heutige Altersvorsorge erst recht unerschwinglich. Die Beitragszahlungen und die Kapitalerträge der Kassen sinken, und das Vorsorgekapital ist dramatisch geschrumpft. Deshalb führt jetzt erst recht kein Weg mehr an einer längeren Lebensarbeitszeit vorbei. Angesichts der «Überalterung» ist das aber kein Problem: Die Bürger werden ja älter, weil sie im Regelfall länger fit und vital bleiben. Altern heisst heute mehr gesunde Lebensjahre und ein höheres gesellschaftliches und wirtschaftliches Produktionspotenzial. Die Ressource Altersarbeit muss nur freigesetzt werden. Dazu müssen die Hindernisse für Arbeit im Alter abgebaut werden, etwa so: Wer vor 65 bereit ist, die Rente ein paar Jahre aufzuschieben, soll neu nicht mehr in der Zukunft eine höhere Rente erhalten, sondern sofort einen Rabatt auf die Beitragssätze. Zudem soll Arbeitseinkommen ab etwa 67 nur noch zur Hälfte besteuert werden; das brächte viel freiwillige Altersarbeit und so auch zusätzliche Steuereinnahmen. Diese sollen nicht in den allgemeinen Steuertopf, sondern in die Altersvorsorge gelenkt werden. So profitieren alle: Junge, arbeitende Alte, pensionierte Alte und die Wirtschaft.

5. Reformfähigkeit institutionalisieren
Diese Reformen müssen schnell, aber natürlich nicht alle sofort umgesetzt werden. Wenn Regierung und Parlament sie glaubwürdig ankündigen und angehen könnten, hätte das schon eine sehr positive Wirkung. Aber sind Regierung und Parlament genügend glaubwürdig? Die weitere Entwicklung dürfte zeigen, dass die Schweizer Corona-Politik zwar nicht gut, aber wenigstens etwas besser als die der meisten europäischen Länder war. Um den kleinen Vorsprung zu halten, sollte jetzt sofort der Aufbau von Institutionen starten, die den Reform-Elan stärken und verstetigen. Dazu schlagen wir zweierlei vor:
Alternativen für «alternativlose Politik» dank Gegenvorschlagskommissionen. Demokratie beruht darauf, dass die Bürger stets zwischen realistischen Alternativen wählen können. Deshalb sollten auf Bundesebene und in den Kantonen Gegenvorschlagskommissionen nach dem Vorbild der kommunalen Rechnungsprüfungskommissionen (in Gemeinden mit einer Gemeindeversammlung) eingerichtet werden, die vom Volk nach dem Mehrheitsverfahren direkt gewählt sind. Diese Kommissionen haben keinerlei Entscheidungsgewalt, sondern einzig die Aufgabe, Kritik an den Vorschlägen von Regierung und Parlament zu äussern und konkrete Gegenvorschläge zu entwickeln. Die Bürger stimmen dann über die drei Alternativen ab, die Vorschläge des Parlaments und der Gegenvorschlagskommission sowie den Status quo. Die Wahl der Kommissionsmitglieder nach dem heute in der Schweiz für Regierungswahlen üblichen Mehrheitsverfahren mit mehreren Sitzen in einem grossen Einheitswahlkreis garantiert, dass die Kommission parteilich breit zusammengesetzt ist und Gesamtinteressen vertritt. Solche Kommissionen haben viel stärkere Anreize als Politiker und Parteien, konstruktiv zu politisieren. Denn ihr Erfolg hängt einzig davon ab, ob ihre Vorschläge die Zustimmung des Volkes finden.

Systematisches Benchmarking
Wegen des Erfolgs der Schweiz fehlt oft der Druck, nötige Reformen anzugehen. Deshalb sollten wir die Schweiz statt mit den direkten Nachbarländern vor allem mit besonders erfolgreichen Ländern – etwa den skandinavischen Staaten und Singapur – sowie mit erfolgreichen Regionen in Deutschland und Österreich vergleichen. Auch einzelne Schweizer Kantone und Regionen sollten systematisch mit erfolgreichen ausländischen Regionen verglichen werden. Der Bund soll ein solches Benchmarking im Sinne regelmässiger, gezielter, leistungsorientierter Vergleiche veranlassen.

Zusammenfassung
Die Zwangsmassnahmen der Schweizer und anderer Regierungen verursachen schwerwiegendste Schäden in Wirtschaft, Kultur, Sport, Politik und selbst im Gesundheitswesen, die auch mit dem langsamen Abbau der Massnahmen weiter anwachsen. Obwohl die Schweizer Corona-Politik besser als diejenige der meisten europäischen Länder war, wirkt sich die schlechte wirtschaftliche Situation im Aus land immer stärker auf den Wohlstand der Schweiz aus. Zugleich droht das PolitikVertrauen der Bürger zu leiden, weil die Fehler nun sichtbarer werden. Zur Bewältigung der Krise müssen wir die direkten Auswirkungen von Corona besser bewältigen, die bisher brachliegenden Ressourcen mobilisieren und das Vertrauen in die Politik erhöhen. Dieser Beitrag schlägt dafür fünferlei vor: Hinsichtlich Corona muss die Regierung (i) eine sorgfältigere, objektivere Informationspolitik betreiben und eine unabhängige Wahrheitsfindungskommission einsetzen, (ii) die wichtigste und in der Krise anwachsende Ressource, die von Corona Genesenen und damit Corona-Immunen, zertifizieren und von Einschränkungen befreien, (iii) zur Abfederung der Corona-Krise weniger auf staatliche Ausgabenprogramme und mehr auf steuerliche Anreize setzen. Zur weiteren Mobilisierung von Ressourcen müssen wir (iv) die bisher vernachlässigten Reformen, etwa in den Bereichen Verkehrs-, Klimaund Altersvorsorgepolitik, ernsthaft anpacken. Um die Glaubwürdigkeit dieser Reformvorhaben abzusichern und das Vertrauen der Bürger in die Politik zu sichern, müssen wir (v) die Institutionen weiterentwickeln. Insbesondere brauchen wir eine volksgewählte Kommission, welche die oft von Partialinteressen und Umverteilungsanliegen dominierten Vorlagen des Parlaments konstruktiv kritisch analysiert und Gegenvorschläge generiert, die auf die allgemeine Wohlfahrt ausgerichtet sind. Um schliesslich den Reform-Elan zu verstetigen, brauchen wir ein kluges Benchmarking, das die Schweiz an den innovativsten und erfolgreichsten Ländern und Regionen misst.

Wenn es gelingt, die Corona-Krise zur Umsetzung dieses Programms zu nutzen, wird die Krise zur grossen Chance für die Schweiz.

 

Von Reiner Eichenberger und David Stadelmann

Quelle: DIE WELTWOCHE, Sonderbeilage— 30.April 2020 – 88.Jahrgang

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